Ostheim. (eva) Die heimische Kulturlandschaft und die künstlerische Tätigkeit in der Region fördern – das ist das Anliegen des Streck-Bräu-Kulturpreises. Die inzwischen schon beachtliche Liste an Preisträgern ist nun um eine Persönlichkeit reicher: Buchautor Gerhard Schätzlein wurde dafür, wie er sich mit beispielhaftem Engagement der Heimatgeschichte widmet, am Dienstagabend im Rahmen einer Feierstunde im Ostheimer Rathaussaal mit dem Streck-Bräu-Kulturpreis 2016 geehrt.

Viele Freunde, Bekannte und weitere Ehrengäste machten dem passionierten Heimatforscher ihre Aufwartung. Zum nunmehr 14. Mal wurde die inzwischen mit 1.000 Euro dotierte Auszeichnung der Brauerei Streck vergeben. 1988 hat das Stifterehepaar Dr. Rainer und Christine Kochinki diesen ersten privaten Kulturpreis in Rhön-Grabfeld ins Leben gerufen. Mit ihm werden regelmäßig Einzelpersonen, Gruppen, Gemeinschaften oder sonstige Institutionen im Altlandkreis Mellrichstadt in Anerkennung ihrer künstlerischen oder kunsthandwerklichen Leistungen gewürdigt. Zu den bisherigen Preisträgern zählen u.a. Brigitte Proß und Klaus Schemmerling von den Kulturimpulsen Mellrichstadt und der Ostheimer Walter Jahn mit seiner archäologischen Arbeitsgruppe Rhön-Grabfeld.

Der Jury gehören derzeit Landrat Thomas Habermann, Mellrichstadts Bürgermeister Eberhard Streit, Kreiskulturreferent Hanns Friedrich, Kreisheimatpfleger Stefan Kritzer sowie die Künstler Peter Klier und Christine Kochinki an. Brauereichef Axel Kochinki, der im Namen der Familien Kochinki die Gäste begrüßte, stand die Freude ins Gesicht geschrieben. Ihm bereitete es eine, wie er sagte, besondere Ehre, Gerhard Schätzlein auszeichnen zu können. Schließlich hatte er als Kind zwei Jahre die Schulbank bei ihm gedrückt, was er heute noch mit vielen guten Erinnerungen an die Grundschulzeit verbinde. Der historische Rathaussaal war zweifelsohne die passende Räumlichkeit für die Preisverleihung, das befand auch Ostheims Bürgermeister Ulrich Waldsachs, der als Hausherr zunächst das Wort ergriff, um Schätzlein Dank und Anerkennung der Stadt zu zollen. Dabei zeichnete er kurz die geschichtliche Entwicklung seiner Stadt nach und stellte sie in Kontext zu Schätzleins Forschung. Wenn einer den Preis verdient hat, dann Gerhard Schätzlein, da war man sich im Saal einig. Da hatte auch die Jury nicht lange überlegen müssen. „Uns ist die Wahl durchaus leicht gefallen“, schickte Landrat Habermann seiner Laudatio voraus.

Das unermüdliche Engagement von Schätzlein ist überaus bemerkenswert, nicht nur auf kulturellem Gebiet, auch in Sachen Sport, Jugendförderung, Bildung und in der Kommunalpolitik hat der 80jährige sich verdient gemacht. In Habermanns Ausführungen zur Vita wurde noch einmal richtig deutlich, was Schätzlein alles für die Allgemeinheit geleistet hat – nicht ohne Grund wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, 2014 wurde ihm sogar das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland zuteil. Geboren in Nürnberg und aufgewachsen in den Hassbergen kam Schätzlein 1959 als Volksschullehrer nach Filke, war später Oberlehrer in Willmars und schließlich von 1979 bis zu seiner Pensionierung 2001 Konrektor der Grundschule Ostheim.

In seiner Ehrenamtslaufbahn hat Schätzlein mehrfach wichtige Rollen eingenommen, so bei der Bayerischen Sportjugend, beim Kreisjugendring oder beim BLSV. Habermann würdigte ebenso Schätzleins politisches Wirken als langjähriger SPD- Kreisrat (1972-2001) und Bürgermeister der Gemeinde Willmars (1981-96). Ganz besonders beleuchtete Habermann das schriftstellerische Schaffen des pensionierten Lehrers, der schnell seine Wurzeln in Rhön-Grabfeld geschlagen hat und bereits Anfang der siebziger Jahre mit ersten Veröffentlichungen in Form von geschichtlichen, heimatgeschichtlichen und volkskundlichen Beiträgen in Erscheinung trat. In der Folge leistete Schätzlein wichtige Recherchearbeit und lieferte mit seinem Schaffen bedeutsames Material für die Nachwelt. Die leidvolle deutsch-deutsche Teilung beschäftigte ihn schon immer, 30 Jahre lang hat er sie in seinem direkt an der Grenze liegenden Wohnort Filke unmittelbar erlebt. Nach dem Mauerfall rückte die Grenzproblematik in den Fokus seiner Forschungen. Er schuf die Informationstafeln zum „Friedensweg“ entlang des Grenzstreifens und gab in seinen Werken, wie der aus einer Fotoausstellung entstandenen Buchreihe „Grenzerfahrungen“ ein Gesamtbild der Zeit und arbeitete in beeindruckender Weise viele Einzelerlebnisse und -schicksale literarisch auf.

Habermann würdigte in diesem Zusammenhang auch den Rechercheauftrag, den Schätzlein vom Forschungsverbund „SED-Staat“ der Freien Universität Berlin 2013 zur Aufklärung von Todesfällen an der Zonengrenze in der Zeit von 1945 bis 49 erhalten hat. Im Besonderen ging der Laudator auch auf die Schriften über die Flucht aus der DDR ein. Mit den umfassenden Zeitzeugenberichten handele es sich um echte Standardwerke, mit der eine Lücke in der bisherigen Forschung geschlossen worden sei, so Habermann. Habermann äußerte abschließend seiner Rede noch einmal seine Bewunderung über den ungebrochenen Tatendrang und die Schaffenskraft Schätzleins, der schon wieder weitere Projekte in Arbeit hat. Der Wanderpreis wurde anschließend vom vormaligen Preisträger, dem Stockheimer Kulturschaffenden Wolfgang Klösel, gemeinsam mit Landrat Habermann und den Eheleuten Axel und Martina Kochinki an Schätzlein überreicht.

Der Geehrte äußerte sich erfreut und erklärte, den dazugehörigen Geldpreis für sein neues Buch „Der romantische Sulzgau“ verwenden zu wollen. Viel Rummel um seine Person mag Schätzlein bekanntlich nicht. Er gab sich bescheiden, vielmehr wollte er aufzeigen, wie wichtig die Helfer für seine Arbeit sind. „Ein Buch entsteht nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern man braucht dazu die Hilfe vieler Menschen“, wie er herausstellte. Ihm war es so auch ein Herzensanliegen, seinen zahlreichen Unterstützern Dankeschön zu sagen, wobei er viele namentlich nannte. Recherchen sind enorm aufwändig, vor allem, wenn sich historische Aufzeichnungen widersprechen, keine oder kaum noch Zeitzeugen befragt werden können und vieles nur aus überlieferten Erzählungen bekannt ist oder gar auf Mutmaßungen beruht. Wieviel Spürsinn und detektivische Kleinstarbeit dabei gefragt ist, veranschaulichte der Autor anhand einer kleinen Geschichte über den Mord an einer Lehrerin in Brüchs im Jahr 1918 aus seinem gerade in Entstehung befindlichem Buch.

Nach der Feierstunde, die von Jörg Schindler-Schwabedissen, dem Leiter des Orgelbaumuseums, mit Klavierstücken ansprechend musikalisch umrahmt worden war, war erst einmal Händeschütteln angesagt. Viele Gratulanten drängten sich um Gerhard Schätzlein und wollten ihn persönlich beglückwünschen.