Meine Damen und Herren, lieber Kulturpreisträger mit Familie…
Was wäre wohl gewesen, wenn es nicht Joschi gäbe? Joschi? werden sie sagen, wer ist denn das? Ist er gar hier? Haben wir ihn nicht gesehen? – und was hat Joschi mit unserem Kulturpreisträger zu tun?
Nur wenige Eingeweihte können es wissen – Wenn Ulrich Genßler mit seinem Joschi, wo auch immer, unterwegs ist, dann kommen ihm die besten Ideen – und das beim — Gassigehen –
und jetzt wissen Sie, wer Joschi ist und was der mit unserem Kulturpreisträger zu tun hat. Joschi ist ein lieber kleiner Hund, der Herrchen dazu animiert mehrmals am Tag an die frische Luft zu gehen und dabei seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Als ich vor wenigen Tagen bei der Familie Genßler in Rimpar war, um mir ein paar Informationen zu holen, blieb die Frage nicht aus, wann ihm denn die besten Ideen und Einfälle für seine Geschichten und Geschichtchen kommen — Fast zeitgleich antworteten Ehefrau und Sohn: Beim Gassigehen. Da hat er auch immer Schreibzeug und Papier dabei, um alles gleich aufzuschreiben.
Damit, meine Damen und Herren, war für mich klar, daß Ulrich Genßler bei seinem ersten Buchtitel gar nicht so lange überlegen mußte. Er ging einfach von sich aus und schrieb: So senn se on so woaernse – und ich setze dazu – die Ostheimer und insbesondere Ulrich Genßler – dem beim Gassigehen mit seinem Joschi die besten Reime und Geschichten einfallen.
Es sind humorvolle Gedichte in fränkischer Mundart, die der Leser beim Durchblättern findet – aber Vorsicht – ein bisschen Mundart und “Köpfchen“ muß man haben, denn so manchesmal bleibt einem nach einigen Minuten des Rätselratens nichts anders übrig, als die Genßlerschen Übersetzungshilfen in Anspruch zu nehmen. Ich gebe zu: Auch ich habe nachblättern müssen, als ich von der Kennermöähd las – auf die Idee, daß es sich dabei um eine Kindermagd handelt — auf d i e Idee bin ich nicht gekommen.
Ich werde mich hüten hier und heute aus seinen Gedichten etwas zu zitieren, denn da würde ich sicher ganz schnell, wie es für jeden verständlich in fränkisch heißt, „auf die Schnauze fallen und mich gscheit blamieren“.
Die korrekten Lesproben überlassen wir lieber im Anschluß unserem Kulturpreisträger, deen mir in der Jury ja net umasüst ausgeguckt ham. Es hot, mei lieber Ulrich nämlich noch en annere gawe, ower mir hom uns für dich entschiede. Und dos wor gor net so schlacht, wie sich jetzt rausstellt.
Ja, mit ein bisschen Mundart, zumindest die uns Grabfelder angeborene, kann ich doch noch mithalten. Zur Entscheidungsfindung beigetragen hat ganz sicherlich auch ein Gedicht, daß unser oberstes Jurymitglied, der wie er immer wieder sagte, eigentlich nichts zu sagen hatte, sondern nur als Ideengeber und Schriftführer fungierte, Dr. Kochinki, vorgetragen hat. Außerdem war es auch unsere einhellige Meinung, daß es gerade die Mundart ist, die ein hohes Kulturgut in unserem Frankenland und insbesondere in unserem Landkreis Rhön-Grabfeld darstellt und die, sage ich, Gott sei dank wieder mehr in den Vordergrund rückt und auch gesprochen wird.
Daß das nicht immer so war, daß weis keiner besser als Ulrich Genßler, der genau wegen seiner Muttersprache im Neusprachlichen Gymnasium, gar nicht weit von hier entfernt — in Bad Neustadt gehänselt wurde. Heute ist das ganz anders. Mittlerweile hat sogar das Kultusministerium den Wert der Mundart erkannt und ruft zur Pflege derselben in der dritten Klasse auf. Oft ein Problem, weiß unser Lehrer Genßler, denn, wie er richtig sagt, werden oftmals die Lehrer von irgendwoher in die Rhön versetzt und umgekehrt und sollen dann den Kindern die Mundart lehren. Ich kenne das aus eigener Erfahrung, wenn mein Sohn nach Hause kommt und in der Königshöfer Mundart ein Gedicht unseres verstorbenen Heimatdichters Otto Schulz einüben soll. Da heißts dann oft: Vatter wie soll denn das heißen. …
Doch zurück zu Ulrich Genßler, der 1950 in Ostheim in der Marktstraße geboren wurde, hier seine Kinder- und Jugendzeit verlebte und somit ein richtiges, echtes Ostheimer Urgewächs ist. Von 1956 bis 1961 besuchte er die Volksschule in seiner Heimatstadt, wechselte dann an das besagte – damals mundartfeindliche – Gymnasium Bad Neustadt und studierte von 1970 bis 1975 Neuphilologie, also neue Sprachen an der Universität in Würzburg. Von 1975 bis 1980 war er Funker bei der Bundeswehr, nahm danach seine Lehrtätigkeit an verschiedenen Realschulen auf und man höre und staune – ist, bis heute, und das seit 1980 Realschullehrer für Englisch und Französisch an der Mädchenrealschule der Franziskanerinnen in Volkach. Na, und, sagen sie… na und … habe ich auch gesagt… bis Ulrich Genßler schelmisch hinzusetze — und das als Evangelischer…..
Er muß es allerdings draufhaben, denn heute noch pflegt man mit ihm letztendlich echte Ökumene an der Mädchenrealschule der Franziskanerinnen in Volkach – und will ihn dort nicht missen.
Unser Kulturpreisträger ist also mit der Ostheimer Mundart groß geworden und hat sie trotz verschiedener Anfeindungen lieben und pflegen gelernt. Er sammelte Ausdrücke und Redensarten und wollte diese jedem Interessierten zugänglich machen. Herauskamen bislang fünf Bände.. — jetzt sehen Sie es mir nach, wenn da nicht der Ostheimer spricht — : Band 1: So senn se on so woarn se – Band 2: Von Lümmel, Leut on Loampe, Band 3 von Heiliche on Scheinheiliche, Band 4: Von freche Fratze on komische Kauz und Band 5: Von luese Luder on knorriche Knöärz. — Ich überlasse es Ihnen, inwieweit sie alles verstanden haben.
Wer in den Büchern von Ulrich Genßler blättert, der findet, wie in jedem solchen Werk ein Vorwort, in dem der Autor eigene Gedanken und Vergleiche mit der heutigen Zeit zieht. Wichtig ist es ihm bei all seinen Werken, daß Ostheimer Ausdrücke in den Geschichten verwendet werden, daß er Anekdoten und Ereignisse einfließen lässt und, daß Ostheimer Originale nicht in Vergessenheit geraten. So wie es sich gehört – endet jede Geschichte mit einer Pointe.
Ich finde es übrigens, lieber Autor, hervorragend, daß man es in den Büchern nicht mit einer Bleiwüste zu tun hat, sondern, daß man dort auch historische Fotografien von Ostheim, von Ostheimern und Ostheimerinnen findet. Sie illustrieren die damalige Zeit und das jeweilige Gedicht.
Unser Kulturpreisträger ist, obwohl er in Rimpar wohnt, ein Ostheimer mit Leib und Seele und so zieht es ihn und seine Familie mindestens zweimal im Monat in die alte Heimat, wo seine Eltern noch wohnen. Hier ist er mit seinem Wissen ein gefragter Mann. Schließlich ist er der einzige, der aufgrund seines Sprachstudiums und seiner Muttersprache die Ostheimer Mundart mit ihren ganz besonderen Eigenarten und Facetten perfekt beherrscht und so für die Nachwelt aufbereitet und pflegt.
Kein Wunder, daß Ulrich Genßler immer wieder angefragt wird, bei Veranstaltungen durchs Programm zu führen – natürlich in Ustemer Mundart.
Besonders die Mitglieder der Stadtkapelle kennen ihn, nicht nur als Musiker, sondern auch als Moderator. Letztendlich ist unser Kulturpreisträger damit auch ein wichtiger Werbeträger für die Stadt Ostheim und die Rhön insgesamt.
Erleben kann man Ulrich Genßler auch bei Kommersabenden, beim Erzählcafe, bei Lesungen, Unterhaltungsabenden und bei Busreisen. Auf diese Art und Weise gelingt es ihm heute immer wieder eine Lanze für seine Mundart zu brechen, für seine Mundart einzustehen und den Zuhörern zu sagen – laßt euch nicht unterkriegen, – red wie euch der Schnobel gewachsen is. So kenne ich es auch aus meiner Kinder- und Jugendzeit und gebe es auch so weiter.
Ulrich Genßler macht sich stark für seine Ostheimer Heimat, für seine Mundart und war zum Beispiel 1991 drei Stunden lang Gast bei einem privaten Radiosender, wo er die Rhön vorstellte, speziell natürlich Ostheim, seine Bürger und die Originale. Mit Gedichten und Gedichten gab er Einblicke in sein Schaffen – auch wir werden heute noch einiges hören –
Bräuche – auch da mischt Ulrich Genßler seit Jahren mit, hat zwei Prosa-Bände herausgebracht: Die Rhöner Lausbuben Weihnacht und S’ Chriskennerle kömmt. Hier geht es um lustige Weihnachtsgeschichten von früher, als es noch keine Hektik und Weihnachtsstreß wie heute gab und Computerspiele sowie Videos unbekannt waren.
Aber und hier sieht man den Autor richtig schmunzeln – es war trotzdem eine Zeit, die es in sich hatte, wo wie er sagt: „Lauser und Gören die verbotenen Weihnachtsplätzchen vorzeitig stiebitzen, mit den Krippenfiguren spielten und als die dann zerbrachen mit dem ganz speziellen „Mahlbabb“, einfachen Kleber aus Mehl und Wasser – ja, ja ich kenn das auch, wieder zusammenklebten. Es hielt nur nicht lange, wenn man nicht die richtige Mischung hatte. Es sind Erinnerungen an die Kinderzeit, die beim Lesen von Genßlers Bücher lebendig werden. So manch einer von ihnen wird mir da insgeheim recht geben, wenn Genßler in seinen Geschichten von Puppenstuben und Kaufläden berichtet, die es an Weihnachten gab, die dann wieder plötzlich verschwunden waren und die im Jahr darauf, versehen mit einer neuen Tapete, das Christkind wieder brachte. Das ging so zehn Jahre lang, sagt unser Autor – und der scheint es wohl aus eigener Erfahrung zu wissen. Ständig von Mitmenschen angespornt vertiefte sich Ulrich Genßler immer mehr in die Dialektforschung und hat jetzt einige Meter Bücher zur Auswahl.
Unser Kulturpreisträger denkt weit voraus, denn, so sagt er: Diese Bände und eine von ihm selbst besprochene Begleit CD sollen einmal die Frage der Enkel beantworten: Oma, Opa, wie war das denn damals bei euch? Wie habt ihr gefeiert? Die Bände erklären im Anhang natürlich alle Begriffe und die Herkunft alter Ostheimer Ausdrücke.
Sie sehen meine Damen und Herren, wir haben nicht i r g e n d w e n als Kulturpreisträger ausgewählt, sondern uns als Jury schon was dabei gedacht. Ich gebe allerdings zu, daß ich bei unserer Zusammenkunft in Mellrichstadt nicht wusste, was Ulrich Genßler alles vorweisen kann, welche Schaffenskraft in ihm steckt und was er alles aufgearbeitet hat. Da kann man nur den Hut ziehen und sagen: Weiter so.
Ach ja, eines habe ich noch vergessen: So humorvoll wie seine Geschichten, ist auch Ulrich Genßler: Als ich ihn fragte, ob er mit dem Lehrerberuf seinen Traumberuf gefunden habe- lachte er und meinte. Ich wollt schon immer Lehrer werden, vor allem wegen der vielen Ferien. Schon sein Vater habe ihm gesagt. Bub. Werd im Sommer Lehrer und im Winter Maurer — Alles beide hat er nicht geschafft – Lehrer ist er geworden – und das ist er mit Leib und Seele.
Was wünscht man einem solch erfolgreichen Mann, unserem neuen Kulturpreisträger? Ganz klar: Weiterhin viele, gute Einfälle beim Gassigehen mit Joschi, damit auch in Zukunft die Ostheimer Mundart für die Nachwelt erhalten bleibt.
Den mit 500 Euro dotierten Streck-Kulturpreis bekommt heute Herrchen Ulrich Genßler – vielleicht fällt da ja auch ne große Wurst für „Joschi“ ab, denn, wie gesagt, wer weiß, ob ohne das Gassigehen, so viele und so gute Ideen entstanden wären.